Schavans nützliche Idioten

Ein Who’s Who der Verteidiger der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan, einer scham­losen Plagiatorin:

Jan-Hendrik Olbertz · Marion Schmidt · Eva Quadbeck · Günther Nonnenmacher · Torsten Krauel


Jan-Hendrik Olbertz: Präsident der Humboldt-Universität Berlin. Sagte laut DLF:

Geisteswissenschaftliche Arbeiten sind mehr als die Summe ihrer einzelnen Textbau­steine.

Versteht also nicht mal elementare Logik. Selbst wenn die Aussage richtig wäre, bedeutete sie: Korrekt ab­geschriebene Textbausteine sind keine hinreichende Bedingung für eine gute Arbeit. Richtig, und komplett irrelevant: Solche Textbausteine sind nämlich eine notwendige Bedingung für eine akzeptable Arbeit, und allein das spielte in dem Verfahren eine Rolle.

Es mangele an der nötigen Tiefe, wenn Textbausteine isoliert verglichen würden.

Vielleicht kann der akademisch hochdekorierte Herr Professor ja mal erklären, wieviel Tiefe denn genau nötig ist, um das Vorspiegeln eigener Autorenschaft bei einem heimlich abgeschriebenen Textbaustein wie­der aufzuwiegen. Und wo das in den entsprechenden Richtlinien z. B. seiner Uni zu finden ist.


Marion Schmidt: stv. Leiterin des Ressorts „Chancen“ bei der „ZEIT“, verantwortlich für Hochschulthemen. Sechs Jahre lang Redakteurin für Bildung bei der „Financial Times Deutschland«. Absolvierte die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg, arbeitete mehrere Jahre als Autorin mit dem Schwerpunkt Bildung für „SZ“, „Spiegel Online“ und „stern“. (Quelle: „DIE ZEIT“) Schreibt in der „ZEIT“ so viel atemberaubenden Schwachsinn, daß man sich vor der Lektüre setzen sollte:

Ein guter Tag für die Fußnotenzähler

Sprich: Frau Schmidt versteht noch nicht mal, daß es nicht um einen technischen Lapsus geht, sondern daß das in Rede stehende Vergehen das Vorspiegeln selbständiger Arbeit und Forschungsleistung ist. Diese Fähigkeit zum selbständigen Forschen ist übrigens exakt das, was mit der Verleihung des Doktorgrads bescheinigt wird. Es kann per Definition kein schwereres Vergehen geben, als wenn eine Kandidatin genau diese Befähigung vortäuscht.

Das Gericht in Düsseldorf hat nicht nur Annette Schavan bestraft.

Das ist natürlich faktisch schlicht falsch: Das VG Düsseldorf hat keine Strafe ausgesprochen, sondern ledig­lich einen Antrag der Schavan abgelehnt. Aber wahrscheinlich wird das mechanistische Abgleichen von Fakten einfach nicht der Tiefe eines hochgeistigen Gedankens gerecht.

Die Anwälte Schavans hatten vor Gericht darauf hingewiesen, dass die Universität weder ihre Mandantin noch ihren Doktorvater persönlich angehört habe, dass kein Fachwissen­schaftler die Dissertation begutachtet habe und die Hochschule keinen externen Gutachter hinzugezogen habe.

Nein, Frau Schmidt hat es nicht nötig, auch nur den Hauch eines Argumentes anzuführen, warum diese Einwände relevant sein sollten. Das Abschreiben der Behauptungen einer der Parteien des Verfahrens ge­nügt in der „ZEIT“ anscheinend völlig. Eine eigene, gar unabhängige Überprüfung solcher Behauptungen? Wer sind wir denn? Aktivisten??

Der Wissenschaft aber hat das Gericht einen Bärendienst erwiesen.

Ne, Frau Schmidt, da muß ich einhaken. Sie haben von Wissenschaft exakt null Ahnung, und in so einem Fall ist es nicht verkehrt, die Klappe nicht so weit aufzureißen, daß man aussieht wie ein Vollidiot. Wissen­schaft hat eine eingebaute – weil für ihr Erkenntnisinteresse notwendige – Moral, und dazu gehört Wahrhaf­tigkeit. Es gibt kein zentraleres Erfordernis als Replizierbarkeit von Ergebnissen, und davon ist ein integraler Bestandteil die Nachvollziehbarkeit von Ideen und deren Autorenschaft. Wer diese Nachvollziehbarkeit durch Verschleierung erschwert, untergräbt damit Wissenschaft selbst.

Was zählt, ist allein die Zahl der nicht korrekt zitierten Textstellen. Das Gericht hat mit seinem Urteil nicht nur eine Plagiatorin abgestraft, sondern auch die Willkür der Unis im Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten legitimiert.

Auch hier: kein einziges Argument. Um das klar zu sagen: Das ist journalistisches Fehlverhalten. Die zen­trale Aufgabe einer freien Presse ist es, den Mitgliedern der Gesellschaft eine unabhängige Meinungs­bildung zu ermöglichen – wer das als Journalist vorsätzlich ignoriert, macht sich des Mißbrauchs seiner Privilegien schuldig. Zudem muß der Text ja auch noch den Tisch eines zuständigen Redakteurs überquert haben bzw. nachträglich die Billigung des Chefs haben – es handelt sich also um ein systemisches Problem. Und daß jemand wie Frau Schmidt eine Journalistenschule absolviert hat, sollte dieser Schule hochnot­peinlich sein – eigentlich sollte man sogar fordern, daß solchen Standesregelbrechern der Abschluß ab­erkannt wird.

Und natürlich hat das Verhalten der Unis nichts, aber auch gar nichts mit „Willkür“ zu tun. (Und es ist schwer vorstellbar, daß so ein Schwachsinn nicht darauf beruht, daß Frau Schmidt die Frau Dr. ex. aus persönlichen Gründen so vehement wie hirnlos verteidigt.) Anscheinend ist es bei der Zeitung, die gern so tut, als sei sie die beste in Deutschland, noch nicht einmal notwendig, die Bedeutung von Wörtern zu kennen. „Willkür“ bedeutet, allgemein geltende Maßstäbe zu mißachten. die Uni Düsseldorf hat aber gerade einen allgemein geltenden Maßstab angewendet, den jeder Kandidat schriftlich versichert, eingehalten zu haben, und der zudem auch noch ohne Frage geeignet ist, den obersten Zielen der Wissenschaft zu dienen. Das Dumme ist: Wissenschaft ist ein objektivierender Prozeß. Das kann niemandem gefallen, der jeden zusammengeklauten oder nicht mal halb durchdachten Scheiß als gleichwertig zu ernsthaften Beiträgen ansehen will – ob in einer Doktorarbeit oder in einem „ZEIT“-Artikel.


Eva Quadbeck: Schreibt für die „Rheinische Post“ u.a. das hier:

Gegenüber der Uni bleibt die Kritik, dass kein externer Sachverständiger bei der Bewer­tung von Schavans Arbeit hinzugezogen wurde. Vor dem Hintergrund, dass es um den Ruf und das Amt einer Bundesministerin ging, hätte die Überprüfung auf einem festeren Fun­dament stehen müssen.

Nein, auch Frau Quadbeck versteht bereits den allertrivialsten Punkt der ganzen Geschichte nicht: daß es nicht um inhaltliche Fragen geht, zu denen ein Fachgutachter etwas Spezifisches beitragen könnte, sondern um Formalien, die bei hinreichend dilettantischer Vorgehensweise des Autors auch von einem Volldeppen zusammengetragen werden können. Wenn es, wie das in einer Doktorarbeit per Definition der Fall ist (s.o.), darum geht, daß ein Kandidat darlegt, inwieweit er eigenständig einen Forschungsgegenstand darlegen und untersuchen kann, ist bereits das Übernehmen fremden Gedankenguts ohne entsprechende Kennzeichnung eine Täuschung. Eine solche Täuschung wird u. a. dadurch konstituiert, daß man Textstellen mechanistisch kopiert, weshalb offensichtlich auch die mechanistische Detektion möglich ist. Und mehr als eine solche Detektion ist (zumindest in Fällen schamlos offensichtlichen Abschreibens wie bei Frau Schavan) nicht von­nöten.

Und hat sie da ernsthaft gefordert, daß eine Prominente besser behandelt werden muß als nicht so eminente Persönlichkeiten, deren Ruf offenbar nicht so wichtig ist? *augenreib*


Günther Nonnenmacher: Herausgeber der „FAZ“, meint:

Dass ihre Doktorarbeit unzureichend war, ergibt sich schon aus dem anspruchsvollen Thema, das im Grunde die Summe eines Gelehrten- und Forscherlebens sein müsste.

Ah ja, wenn eine Doktorarbeit anspruchsvoll ist, dann muß sie also geradezu unzureichend werden. Das ist natürlich hanebüchener Blödsinn, da man zu jedem Thema eine Perspektive bzw. eine Fragestellung finden kann, die in welchem auch immer zur Verfügung stehenden Rahmen vernünftig so zu behandeln ist, daß der Kandidat zeigen kann, daß er in der Lage ist, selbständige Forschungsarbeit durchzuführen. Und Nonnen­macher macht natürlich denselben Anfängerfehler wie Eva Quadbeck, indem er impliziert, daß es um den Inhalt einer Arbeit ginge, wenn man herausfinden will, ob die Autorin getäuscht hat.

Kein Plagiatjäger hat aber den Vorwurf erhoben, ihre Arbeit sei – wie die zu Guttenbergs oder anderer – schlicht aus Zitaten anderer Autoren zusammengeschustert. Dass man­ches schlampig ausgefallen ist, hat auch mit Arbeitsbedingungen früherer Jahre zu tun: Da wurde handschriftlich exzerpiert, auf der Schreibmaschine getippt, mit Klebestift und Schere gearbeitet – im Computer-Zeitalter nahezu unvorstellbar.

Inwiefern es eine Verteidigung für Schavan ist, daß ihre Arbeit ‚immerhin nicht so schlimm wie die von Guttenberg‘ sei, bleibt leider Nonnenmachers Geheimnis. Wie weit Schavans Arbeit tatsächlich aus heim­lichen Zitaten insbesondere der Sekundärliteratur zusammengeschustert ist, kann jeder selbst auf schavan­plag beurteilen. Und das, was man dort sieht, hat mit „Schlampigkeit“ längst nichts mehr zu tun, sondern zeigt, daß es Schavan systematisch egal war, ob sie fremde Gedanken als solche ausweist oder still­schweigend sich selbst zuschreibt. Erst recht wer handschriftlich exzerpiert etc., notiert sich, woher diese Schnipsel stammen. Die dann umzuschreiben, so daß eine Zuordnung zur Quelle erschwert wird, und die Quelle nicht zu nennen, oder so zu tun, als sei es aus einer anderen, z. B. einer Primär- statt einer Sekundär­quelle, ist ein mehr als deutlicher Hinweis auf Vorsatz. Aber für diese Erkenntnis hätte Nonnenmacher wohl mal selbst etwas auf schavanplag lesen müssen – solche Extremrecherche ist aber sicher entbehrlich, wenn man nur einen Kommentar schreibt.

Es ist die Beschuldigung, sie habe vorsätzlich getäuscht, die Frau Schavan als Entehrung empfindet – ein Vorwurf, der übrigens letztlich nicht nachzuweisen ist.

Der netteste Vorwurf, den man Nonnenmacher hier machen kann, ist, daß er nicht die geringste Ahnung hat, wovon er redet, und sich diesbezüglich auch nicht schlau gemacht hat – was eine krasse Verletzung seiner Berufspflichten als Journalist ist. Die Sophisterei, die Nonnenmacher hier versucht, ist analog zu: ‚Na ja, der Angeklagte mag das Auto ja geklaut haben und damit auch wochenlang herumgefahren sein – aber ob das vorsätzlich geschehen ist, ist letztlich nicht nachzuweisen.‘ Sich so dreist dumm zu stellen – oder tatsächlich so dumm zu sein –, ist schon beachtlich für jemanden in Nonnenmachers Position. Wer eine Doktorarbeit abgibt – und auch Nonnenmacher hat schließlich mal eine geschrieben –, versichert nicht nur, daß er nicht vorsätzlich gegen einschlägige Normen des Verfassens einer solchen Arbeit verstößt, sondern auch, daß er Vorkehrungen trifft, daß solche Verletzungen nicht unbemerkt geschehen. Wer letztere Vorkehrungen nicht trifft, verstößt in exakt demselben Maße gegen zentrale wissenschaftliche Grundsätze.


Torsten Krauel: Chefkommentator der „Welt“.

Schavans Doktorarbeit hatte Schwächen, auslegungsfähige Schwächen manchmal, aber eben Schwächen.

Nein, auch Herr Krauel weiß nicht, wovon er redet. Wie den Kollegen Quadbeck und Nonnenmacher ist Krauel nicht einmal der fundamentalste Fakt des Falles klar: daß es nicht um den Inhalt der Arbeit geht und auch nicht um etwas, das ‚nicht ganz gelungen‘ ist. Das systematische Vorspiegeln eigenständiger Er­kenntnis ist die erste Todsünde der Wissenschaft – wird das nachgewiesen, sind alle anderen Erwägungen in Hinblick auf die zu begutachtende Arbeit hinfällig.

Da bleibt ein übler Nachgeschmack. Es gibt eine anonyme, wenn auch fundierte Anschul­digung. Es gibt eine Universität, die 34 Jahre später die durch sie selber vollzogene Be­urkundung des Doktorgrads nicht mehr wahrhaben will.

Es zeugt tatsächlich von beträchtlicher Mißgunst, daß der Anschuldiger seinen Namen nicht preisgibt. Wie sollen wir denn sonst mit den schon bereitliegenden ad-hominem-Argumenten seinen Ruf zerstören? Und die Uni Düsseldorf ist ja auch goldig: Das ist ja, als wollte sie von einem Vertrag zurücktreten, bei dessen Abschluß sie arglistig getäuscht wurde und deswegen auf einmal den Vertrag nicht mehr wahrhaben will. Welches primitive Rechtssystem kennt denn sowas?

[…] eine Arbeit, die sich von bekannten anderen Arbeiten dadurch unterscheidet, dass [sie] eben nicht wie die anderen Dissertationen seitenlange Kopien aus Fremdtexten enthält.

Das, lieber Kollege Krauel, ist eine glatte Lüge. Wer sich nicht mal die Mühe macht, auf schavanplag selbst zu recherchieren, dem ist es offenbar egal, wieviel Schavan wirklich abgeschrieben hat und wie weit das den eigenen Vorurteilen widerspricht. Weniger als fünf Minuten braucht man, um gleich mehrere solcher Bei­spiele zu finden:

Übernahme der gesamten Seite von Hupperschwiller (1970) mitsamt sieben Literatur­referenzen. […] Die Verfasserin übernimmt gut zwei Drittel der Seite von Nowak (1978) mitsamt vier Literaturreferenzen.

[Nachtrag: Herzlichen Dank an @Erbloggtes für diese graphische Übersicht aller Plagiatsstellen in Scha­vans Dissertation.]

Wer wie Krauel seine Pflichten als Journalist so kraß verletzt, müßte eigentlich in jedem normalen Betrieb in dringender Gefahr sein, rausgeschmissen zu werden. Ernste Frage: Gibt es solche normalen Betriebe noch irgendwo?


Fortsetzung folgt…

1 comment

2 pings

  1. Zu Torsten Krauel wäre nachzutragen, dass er im Februar 2013 der Erfinder einer 30jährigen Verjährungs­frist im Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes NRW war. Von dieser Frist nehme das Gesetz die Hoch­schulen aus. Diese Bestimmung sei aber hochproblematisch.

    Das war natürlich reine Erfindung, das Verwaltungsrecht kennt keine solche Verjährung. Macht aber nichts. Als Journalist darf man völlig folgenlos behaupten, was man will. Check your facts ist sowas von gestern!

  1. […] behandelten Heroen des Schavanismus genannt und etwas zu ihrer Einordnung beigetragen: Jan-Hendrik Olbertz, Marion Schmidt, Eva Quadbeck, Günther Nonnenmacher und Torsten Krauel. Während Olbertz als […]

  2. […] Marquardt dann in der Vorberichterstattung zum Schavan-Prozess am 20. März 2014 im Verbund mit der unvergessenen Marion Schmidt, die verfahren sicher […]

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